Eröffnung der Ausstellung „Welt aus Sprachen. Literatur Übersetzen“ im Literaturarchiv Sulzbach-Rosenberg | Literaturhaus Oberpfalz am 7. Oktober 2025

Die Ausstellung Welt aus Sprachen. Literatur übersetzen im Literaturarchiv Sulzbach-Rosenberg | Literaturhaus Oberpfalz wurde am Abend des 7. Oktober mit zwei Podiumsgesprächen und einer Führung durch die Ausstellung eröffnet. Das Literaturarchiv, welches 1977 von Walter Höllerer gegründet wurde, hat vor Kurzem begonnen, einen Schwerpunkt zum Thema literarisches Übersetzen zu bilden. Dazu hat es bereits drei Bestände von literarischen Übersetzerinnen erworben: die Nachlässe von Ragni Maria Seidl-Gschwend (1935–2021), Übersetzerin aus dem Italienischen u.a. von Elsa Morantes Aracoeli, Verena Reichel (1945–2022), Übersetzerin aus dem Schwedischen, Norwegischen und Dänischen u.a. von Henning Mankells Die italienischen Schuhe, und den Vorlass von Helga Pfetsch (*1944), Übersetzerin aus dem amerikanischen Englisch u.a. von Margaret Atwoods Der Report der Magd.

In den zwei Podiumsgesprächen, die anlässlich der Eröffnung mit literarischen Übersetzerinnen und Übersetzern geführt wurden, schnitt der Moderator Niels Beintker unter anderem Themen wie die konkrete übersetzerische Praxis an. So erfuhr man beispielsweise von Rosemarie Tietze (*1944), Übersetzerin aus dem Russischen u.a. von Lew Tolstois Anna Karenina, dass sie bei einer Übersetzung im Kern versuche, die „ästhetische Energie“ zu übertragen – Übersetzen sei damit eher eine Kunst als eine Wissenschaft. Helga Pfetsch beschrieb ihrerseits die Zusammenarbeit mit Autorinnen wie Margaret Atwood, die bereitwillig Fragen über ihr Werk beantwortete. (Ein konkretes Beispiel dieser Korrespondenz – ein Brief von Pfetsch mit einer Liste von Fragen, unter die Atwood ihre Antworten einfügte – kann im Rahmen der Ausstellung eingesehen werden.)

Zum zweiten Podiumsgespräch waren Olga Radetzkaja (*1965), Übersetzerin aus dem Russischen u.a. von Maria Stepanowas Nach dem Gedächtnis, und Romy und Jürgen Ritte (*1957/*1956), die in Paris leben und gemeinsam insbesondere die Werke von Hervé Le Tellier aus dem Französischen übersetzen, eingeladen. Radetzkaja verriet dem Publikum, dass sie bei der Übersetzung von Lyrik bei jedem Schritt intensiv auf den Klang des Textes achtet und ihn mindestens 10 Male durchgeht, ehe sie einigermaßen zufrieden ist. Romy und Jürgen Ritte boten ebenfalls Einblicke in ihre kollektive übersetzerische Praxis. Zum Schluss las Radetzkaja ein Gedicht von Maria Stepanova in ihrer Übersetzung vor.

Die Entwicklungen im Bereich der künstlichen Intelligenz und die möglichen Auswirkungen, welche im Moment für viel Beunruhigung sorgen, wurden nicht konkret thematisiert – vielleicht mochte man die Stimmung nicht unnötig dämpfen. Auf die in beiden Podiumsrunden gestellte Frage, ob es in der Öffentlichkeit genügend Aufmerksamkeit für die Arbeit der Übersetzer und Übersetzerinnen gebe, antworteten alle eher verneinend, obwohl Jürgen Ritte die Situation in Frankreich etwas positiver einschätzte. Die Honorare seien zu niedrig und die Aufmerksamkeit zu gering, obwohl sich in den letzten Jahren schon einiges getan habe. Und wer wüsste es besser als die gefragten Personen? Tietze war eine der Initiatorinnen des Deutschen Übersetzerfonds, Pfetsch Vorsitzende des Verbands deutschsprachiger Übersetzer/innen literarischer und wissenschaftlicher Werke, Radetzkaja ist seit 2024 Vorsitzende des Deutschen Übersetzerfonds. Interessanterweise wird die Frage der materiellen Lage der Übersetzer und Übersetzerinnen in der Ausstellung nicht thematisiert – zumindest nicht auf der individuellen Ebene. Es werden zwar einige Dokumente zur Aktivität der berufspolitischen Verbände gezeigt, doch Unterlagen wie Übersetzungsverträge oder Korrespondenz mit Honorarverhandlungen sind nicht Teil der Ausstellung. Auf der individuellen Ebene scheint es doch noch ein relativ verschwiegener Aspekt zu sein, ganz im Sinne von Über Geld spricht man nicht.

Die Ausstellung präsentiert Material aus den Vor- und Nachlässen von Pfetsch, Seidl-Gschwend und Reichel und wird von Papieren, die Tietze zur Verfügung stellte, ergänzt. Übersetzungsmanuskripte, Korrespondenzen, Bild- und Videomaterial sowie weitere Dokumente werden zur Schau gestellt und so die Arbeit der Übersetzerinnen veranschaulicht. Gezeigt werden dabei auch oft ignorierte Aspekte der übersetzerischen Tätigkeit, wie etwa das Verfassen von Gutachten für Verlage – dokumentiert durch Gutachten von Reichel über einige Werke von Henning Mankell – oder die Praxis des Nachdichtens, die insbesondere in der DDR betrieben wurde. Außerdem wird das Engagement der Übersetzerinnen in berufspolitischen Verbänden beleuchtet. Neben einem Überblick über die Gesamtbestände der Vor- und Nachlässe hätte ich mir jedoch – wie beim Germersheimer Übersetzerlexikon – gewünscht, etwas mehr über die übersetzerischen Biografien dieser Übersetzerinnen zu erfahren, um etwas mehr Kontext für die präsentierten Informationen zu erhalten. Aber dafür ist vielleicht in der nächsten Ausstellung Platz.

Die sehr sehenswerte Ausstellung läuft bis Ende Mai 2026.